[biographie]

WestBam. Das ist mehr als nur ein Name. Das ist eine Vision. Ein Statement. Ein Konzept. Und es ist, vor allem und in ganz besonderem Maße, der Begriff für innovative Dance- und Popmusic aus Deutschland. Seit 20 Jahren erklärt uns WestBam, wie das geht und was das ist: Elektronische Musik jenseits aller Genre-Grenzen. Es gibt (fast) nichts mehr, was WestBam in seiner Karriere nicht schon erreicht hätte. Aber eben nur fast. Die Herausforderung, der Kick ist immer noch da. Er hat Electro, Techno und Pop zu einer einzigartigen, oftmals verqueren und dennoch unendlich erfolgreichen Melange verwoben. Das ist sein Verdienst. Seit er im Juli 1985 mit seinem Schulfreund und Dauer-Kollaborateur Klaus Jankuhn seine erste 12“ „17 – This Is Not a Boris Becker Song“ veröffentlichte, gab es für ihn kein Halt machen. Bereits dieser erste Track – eine Anlehnung an „19“ von Paul Hardcastle, einen der ersten Sample-Tracks seiner Zeit – wurde zur Hymne für die noch junge, ja naive deutsche Club Culture.

Alles begann im Münsteraner Odeon Club. Dort war er seit 1983 Resident DJ. Nur ein Jahr später zog er in das damals noch geteilte Berlin (West), eroberte diese Stadt und seine Musikkultur, wurde deren Anführer, Ideengeber, Visionär. Und das mit kompromissloser, sich stetig verändernder Musik und einem Stil, der so unverwechselbar nach ihm klingt, dass man zu verstehen beginnt: Innovation und Erfolg, ein eigener Kopf und goldene Schallplatten, Querdenkertum und Massengefälligkeit: Das muss sich nicht gegenseitig ausschließen.

Hier nur ein paar Stationen. Die Achtziger: „Monkey Say Monkey Do“, „Disco Deutschland“, „Der Bundespräsidenten Mix“ – frühe All-time Faves der deutschen Club Culture, bis heute jedem Kind ein Begriff. 1988: Auftritt bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul/Südkorea, auf Einladung des Goethe Instituts als deutscher Kultur-Beitrag. 1989: Sein erstes Album „The Cabinet“, das vom Fleck weg neue Standards setzt, in seiner eklektischen Einzigartigkeit bis heute ein Meilenstein.

Dann, die Neunziger: Das Jahrzehnt des WestBam. Er etabliert mit der Mayday eine neue Dimension der Techno-Events. Techno wird Pop, für manche gar Religion. Und WestBam ist deren Messias. Inzwischen ist dieses Event zum ultimativen Statement in Sachen hemmungsloser Party geworden, das alljährlich mehr als 20.000 Techno-Jünger in seinen Bann zieht. Zeitgleich etabliert er mit 'Low Spirit’ seine eigene Business-Plattform. Von nun an hat er alle Fäden in der Hand, nichts kann ihn mehr stoppen. Der Erfolg gibt ihm Recht: Sein drittes Album „Bam Bam Bam“ behauptet sich über vier Monate in den Top 100 der deutschen Album Charts.

Und es geht weiter. Das schicksalhafte Jahr 1997, in welchem ihm alles gelingt. Sein erstes Buch „Mixes, Cuts & Scratches“ erscheint, in Zusammenarbeit mit Rainald Goetz. Er erhält den renommierten Kulturpreis der größten Berliner Tageszeitung BZ – nach Koryphäen wie Bernhard Minetti, Otto Sander oder Mario Adorf. Er trennt sich von seinem damaligen Majorlabel-Partner, etabliert ein eigenes Network, kontrolliert von nun an jeden künstlerischen Schritt, bis hin zu Artwork, Videoclips und Vertrieb. Und es folgt sein bis dato größter Coup: „Sonic Empire“ von 'Members of Mayday’, „was dann auch lustigerweise gleich unser größter kommerzieller Erfolg wurde.“ Er erzählt: „Wir trennten uns damals gerade von unserem alten Major, und alle sagten: 'Na, ob das klappt, die kennen sich doch gar nicht aus in diesem Business-Segment.’ Es gab viel Hohn und die Prophezeiung, dass wir untergehen. In dieser Situation mal eben eine Nummer eins rauszurocken und mit einem bahnbrechenden Stück in kürzester Zeit 700.000 Stück zu verkaufen: Das war gut.“

Doch noch lange nicht alles: Nur einen Monat später folgt die Hymne zur Loveparade: „Sunshine“. Und plötzlich hatte WestBam, was nur wenigen Künstlern in Deutschland gelingt: zwei Top Ten-Singles gleichzeitig. Technolectro becomes Mainstream. Ein neuer Pop-Begriff wird geboren. Elektronik-Musik, auch die seines individuellen Kalibers, ist ohnehin schon immer Pop. Sagt er selbst: „Pop-Life, Pop-Kultur, Pop-alles. Jeder, der Samstags abends vor Leuten auftritt, wo das Boy-meets-Girl-Ding und Alkohol ist, der lebt das, der ist das.“ Mit WestBam als dem 'Master of Ceremony’ an der Spitze der Bewegung.

Was soll da noch kommen? Maximilian Lenz weiß es: Die Fusion. Der Crossover. Das Neue. Gemeinsam mit Afrika Islam, der für den HipHop das ist, was WestBam für den Techno darstellt, wird er zu Mr. X & Mr. Y. Es genügen ein paar Clubgigs, um alle Pop- und Musik-Gazetten dieser Welt, von Melody Maker über ID bis Mixmag, so hysterisch werden zu lassen wie ein Rudel Gewürzgurken. Nun existieren überhaupt keine Schranken mehr. Er involviert in seinen Style so gegensätzliche Dinge wie Funk, New Wave oder lateinamerikanische Rhythmen. Und er beginnt, mit Afrika Islam gemeinsam zu produzieren – eine der innovativsten und kreativsten Verbindungen der jüngeren Musikgeschichte. „Es ist optimal mit Islam, weil er vom HipHop kommt, also der anderen großen DJ-Musikrichtung“, sagt WestBam. „Unsere kombinierte Kenntnis über die universelle DJ-Musik in einen Topf geworfen: Da kommen immer interessante Sachen raus.“

File under: „Dancing With The Rebels“. Sein Beitrag zum ‘Grand Prix d’ Eurovision’, wieder mal eine richtungsweisende Kollaboration von Islam und ihm. Ein derbes, hundstrockenes, unendlich schiebendes Stück moderner Technolectro-Kultur. Reduziert bis auf die Grundmauern, unerhört sexy, mit einem Drive, der den Atem gefrieren lässt. „Das ist ein richtig schönes Fuck-Off-Lied“, lacht WestBam. „Nimm nur die erste Textzeile: ‘Democracy, democracy, unlike the vast majority, ain’t got no choreography, so why do you keep sweating me?’” Subtile Anarchie, könnte man sagen. “Eine Kampfansage.” Sagt er.

Für einen wie ihn wird es langsam schwer, neue Herausforderungen zu finden. Der Grand Prix ist so eine. Ebenso wie sein letztes, nunmehr sechstes Künstler-Album „Right On“. Für ihn ist diese Platte, die fernab jeder Genre-Grenzen funktioniert, „ein weiterer Schritt. Es ging für mich darum, mein ganz eigenes neues Amalgam zu haben, etwas, das mein Statement ist. Etwas, das Pop ist, wo man die kruden Bausteine aber dennoch durchscheinen sieht.“ Jetzt ebenfalls mit dabei: Abwegiges, Unergründliches. Und Unerwartetes wie z. B. Dub-Reggae. Aber nicht in einer expliziten, evidenten, effektheischenden Form, sondern feingeistiger. „Wenn ich Dub drin haben will, heißt das nicht: So, jetzt machen wir mal ein Reggae-Stück. Oder ein Disco-Stückchen, ein bisschen Eighties-Verschneiderei, blablabla. Bei mir passiert das subtiler. Eben das ist mein Statement. Es geht darum, zu einer eigenen Formsprache zu kommen.“ Auch „Dancing With The Rebels“ erzählt von dieser Formsprache. Einfach auflegen, hören, wirken lassen.
Da ist er wieder, der clevere Schalk. Der Geist der Popkultur. Der Mann ohne Grenzen.

Text: Sascha Rüger


© Low Spirit Recordings 2004


Veröffentlichungen
12"

"17 - This is not a Boris Becker Song", Cowboy Temple, Low Spirit, 1985
"Der Bundespräsidenten Mix", Low Spirit, 1986
"Do It In The Mix", Low Spirit, 1987
"Disco Deutschland", Low Spirit, 1988
"Monkey Say Monkey Do / The Wip", Low Spirit, 1988
"Cold Stomper / Back To Future", Low Spirit, 1989
"...and Party", Low Spirit, 1989
"Cold Train / Railway Dub", Low Spirit, 1989
"Saxophon Alarm Clock", Low Spirit, 1990
"No More Fucking Rock`n Roll", Low Spirit, 1990
"Hold Me Back / The Wall", Low Spirit, 1990
"The Roof Is On Fire", Lo Spirit, 1990
"I Can't stop", Low Spirit, 1991
"Confused / The Cold Stomper", Remix, 1991
"Rock The House", Low Spirit, 1991
"Forward Ever Backward Never", Low Spirit, 1992
"Let Yourself Go", Low Spirit, 1992
"Mayday Anthem", Low Spirit, 1992
"Celebration Generation", Low Spirit, 1993
"Religion EP", Members of Mayday, Low Spirit, 1993
"Celebration Generation", Remix, Low Spirit, 1994
"Bam Bam Bam", Low Spirit, 1994
"Wizards Of The Sonic", Low Spirit, 1994
"Always Music", Low Spirit, 1995
"Hands On Yello - Bostich", Low Spirit, 1995
"Terminator", Low Spirit, 1996
"Born To Bang", Low Spirit, 1996
"And More", WestBam meets CAN, Loud & Slow, 1997
"Sonic Empire", Members of Mayday, Low Spirit, 1997
"Sunshine", Dr. Motte and WestBam present, Low Spirit, 1997
"Die Dunkelsequenz", Prof. Taub-Karcher, Loud & Slow, 1997
"Hard Times", Low Spirit, 1997
"Free Me", Mr. X & Mr. Y, Low Spirit, 1997
"Crash Course", Low Spirit, 1998
"Love Parade 1998" (One World One Future), Dr. Motte And WestBam present, Low Spirit, 1998
"Agharta " The City Of Shamballa TechnoLectro Mix, Afrika Bambaataa & WestBam present I.F.O., Low Spirit, 1998
„Save the Robots“, Members of Mayday, Low Spirit, 1998
„Beatbox Rocker“, Low Spirit, 1999
„Soundtropolis“, Members Of Mayday, Low Spirit 1999
„New World Order“, Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 1999
„Viva la Revolucion (I.C.E.T.)", Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 1999
„Music is the Key (Love Parade 99)“, Dr. Motte And WestBam present, Low Spirit, 1999
„What´s up at the Brotherfront“, Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 1999
„Do the Rambo“, WestBam feat. TL Pimps, Electric Kingdom, 1999
„Datapop“, Members of Mayday, Low Spirit, 2000
„Love Bass“,Electric Kingdom, 2000
„Love Parade 2000 (One World One Love Parade)“ Dr. Motte and WestBam present, Low Spirit, 2000
„Global Players (My Name is Techno)“, Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 2000
„WestBam Electro RMXS“, Electric Kingdom, 2000
„10 IN 01“, Members of Mayday, Low Spirit, 2001
„Butterloops“, Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 2001
„Technomusik Ab Und Zu“, Takbam, Electric Kingdom, 2001
„You can´t Stop Us (Loveparade 2001)“, The Love Committee, Low Spirit, 2001
„Culture Flash“, Members of Mayday, Low Spirit, 2002
„Access Peace (Loveparade 2002)“, The Love Committee, Low Spirit, 2002
„Roh-Mix“, The WB’s, Road Rage Records, 2002
„Oldschool, Baby“, WestBam and Nena, Low Spirit, 2002
„Recognize", WestBam +X, Low Spirit, 2002
„Troopa Of Tomorrow“, Members Of Mayday, Low Spirit, 2003
„Love Rules (Loveparade 2003)“, The Love Committee, Low Spirit, 2003
„Right On / Like Ice In The Sunshine“, Low Spirit, 2003
„Why Is Everybody 2 Loud + Slow 4 Me“, Los Heroes Del Noise, Road Rage Records, 2003
„Dancing With The Rebels“, WestBam and Afrika Islam, Low Spirit, 2004
„Team X-Treme“, Members Of Mayday, Low Spirit, 2004
„Baby’s On Fire (Super Dope Underground Mixes)", The WB’s with our Superpitcher, Road Rage Records, 2004
„Amok“, Gebrueder Stoer, Road Rage Records, 2004



Album

"The Cabinet",
Low Spirit, 1989
"A Practising Maniac At Work",
Low Spirit, 1991
"Bam Bam Bam",
Low Spirit, 1994
"Members Only",
Members of Mayday, Low Spirit, 1995
"We´ll Never Stop Living This Way",
Low Spirit, 1997
"New World Order",
Mr. X & Mr. Y, Electric Kingdom, 1999
„Anthems of the Deacade“,
Members of Mayday, Low Spirit, 2001
„Right On“,
Low Sprit, 2002
„WestBam Super DJ Mix Elektropogo Jam 133.3“.
Low Spirit, 2003