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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Alte Schule, Baby
Von Andreas Rosenfelder"

12. September 2005 Es gibt ein paar sagenumwobene Wendepunkte in der Musikgeschichte, die auf einem simplen Wechsel der Instrumente beruhen:

  FAZ

Bob Dylan stöpselt seine Gitarre in einen Verstärker, die „Beatles” entdecken das Vierspurgerät und so weiter. Ferner gibt es auch ein paar nicht ganz so mythische Wendepunkte, die sich eher dem Zufall oder der Langeweile verdanken: Ozzy Osbourne benutzt eine Fledermaus als Mundharmonika, Jon Bon Jovi erfindet bei MTV das Unplugged-Konzert, „Metallica” nehmen eine Platte mit den Sinfonikern von San Francisco auf.

Wenn jetzt Westbam, der Übervater unter den deutschen Techno-DJs, Plattenkoffer und Kopfhörer zu Hause läßt und ein richtiges Konzert mit richtiger Band gibt, dann weiß man zunächst einmal nicht, ob es sich um eine geniale Pointe oder eher um einen PR-Gag zur Einleitung des Alterswerks handelt. In den Kölner Stadtgarten ist jedenfalls, obwohl Maximilian Lenz aus Münster als Erfinder der Berliner „Love Parade” und des Dortmunder „Mayday” ansonsten für die Massen auflegt, eine höchstens mittelgroße Schar von Neugierigen gepilgert - und das, obwohl Westbam sein neues Album „Do You Believe in The Westworld” vorstellte, das einige schöne, fließende Titel wie „Sonic Empire” enthält. Vielleicht traute ihm die Stammklientel nicht zu, seinen Ruf als Partyrocker auch beim kammermusikalischen Auftritt zu bestätigen.

Wie ein etwas ungelenker Tanzbär

Tatsächlich wirkte es am Anfang wie ein Witz, als Westbam in der Rolle des Bandleaders an die Rampe trat - begleitet von einem Schlagzeuger, der die Baßtrommel präzise viermal pro Takt vibrieren ließ, von einem Gitarristen, der saftige Kraftakkorde beisteuerte, und von zwei dunkelhäutigen Sängerinnen, die ihre Hüften wiegten und soulige Vokale in die Mikrofone flöteten. Einzig ein Typ, der auf zwei Notebooks herumtippte und für die digitalen Klänge sorgte, fiel aus diesem vollanalogen Szenario heraus.

Westbam selbst war an einem etwas steifen Muskelkostüm anzumerken, daß die angedeuteten Miniatur-Bewegungen hinter den Plattentellern eher seine Sache sind als raumgreifende Bühnenakrobatik. Wie ein etwas ungelenker Tanzbär stand der Westfale mit dem Sieben-Tage-Bart am Mikrofonständer. Doch der Eindruck täuschte, denn als Sänger entfaltete Westbam mit der Zeit durchaus Leidenschaft - und schaffte es sogar, die gesampelten Stimmproben in Hits wie „Oldschool Baby” oder „Ride On” in Echtzeit nachzusingen.

Ein Mann der kurzen, prägnanten Botschaften

Es hat etwas Absurdes und zugleich Heroisches, DJ-Musik mit einer Band nachzuspielen - als würde man im Zeitalter des Buchdrucks einen Roman in handgeschriebenen Ausgaben verteilen. Immerhin hatte die Revolution von Techno darin bestanden, das schwitzende, biophysische Konglomerat, als das sich Rockbands traditionell verstehen, aufzulösen und statt dessen auf einen fast schon metaphysischen Plattenaufleger zu setzen, der hinter seinem Pult thront und ausschließlich mit vorproduzierten Klängen arbeitet. Und natürlich kokettiert Westbam, der in Interviews die Rolle des Techno-Intellektuellen ausfüllt, mit dem konterrevolutionären Beigeschmack seiner Bandtournee.

So wäre der Kölner Auftritt nur eine ironische Drehung in der Theoriegeschichte der Popmusik geblieben, wenn die Aura des Bühnenauftritts nicht sowohl dem Publikum als auch der Band großen Spaß gemacht hätte. Westbam ist eben kein Kopfmusiker, sondern in Musik und Text ein Mann der kurzen, prägnanten Botschaften. Und die werden durch die Verkörperung auf der Bühne, wo selbst abzählvershafte Refrains bei jedem erneuten Singen leicht variieren und sich kleine Fehler in die Rhythmen einschleichen, erst recht beglaubigt. Wenn Westbams Konzert etwas lehrt, dann vielleicht nur, daß die Wahl der Waffen in der Popmusik nicht das Entscheidende ist.

Text: F.A.Z., 13.09.2005, Nr. 213 / Seite 45
Bildmaterial: Tino Deus

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