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die tageszeitung
"Mich reizt das Konzept"
Von Thomas Winkler"

DJ "My Name is Techno" WestBam steht erstmalig mit Band auf der Bühne. 20 Jahre Rave-Hit-Historie und ein neues Album werden zum Rockkonzert. Sieht so der Tod von Techno aus? Ein Einakter

  TAZ

Nachmittag. Leichter Regen. Helle Fabriketage in einem Gewerbegebiet. Durch die Fenster sieht man die Spree. Eine Wand voller Vinyl. Locker im Raum verteilt: Computer, Keyboards, Gitarren, ein Schlagzeug, ein Baumbach-Flügel, gerahmte Schallplatten aus Gold und Platin. Eine Couch, darauf WestBam, halb sitzend, halb liegend. Blättert in "Gott und die Welt" von Joseph Ratzinger. Interviewer in einem Ohrensessel.

Interviewer: Sind Sie gläubig? WestBam: Ich habe eine kleine Tendenz zu religiösen Fragen. In wenigen Fächern in der Schule, schon gar nicht in Musik, konnte ich so glänzen wie in Religion. In einem Video habe ich auch schon einmal den Pope of Technolectropop gegeben.

Hätten all die jungen Menschen, die unlängst den Weltjugendtag besucht haben, früher bei der Love Parade gefeiert? Die Überschneidungen sind wahrscheinlich relativ klein. Aber die Attraktivität ist ähnlich: ein wohliges Gefühl von Gemeinschaft. Die Heilsbotschaft der katholischen Kirche ist Jesus Christus, die Heilsbotschaft von Techno ist bum, bum, bum. Man fühlt sich geborgen - im Glauben oder in der Bassdrum.

Hat Techno seine Sinn stiftende Funktion verloren? Die Botschaft von Techno war einmal einfach. Die starke Ausdifferenzierung heute - die einen schwören auf Intelligent Techno, die anderen lassen nur Minimal oder Trance gelten - ist wie ein Streit zwischen Glaubensrichtungen. Die Spaltung der Kirchengemeinschaft schreckt viele ab, die Gläubigen sind irritiert. Aber so leer wie die Kirchen sind die Disko-Tempel ja noch nicht.

Weshalb treten Sie neuerdings mit Rockband auf? Das mag etwas mit der ästhetischen Krise von Techno zu tun haben. Aber für mich ist das eher wie eine Rückschau: die eigene Musik zu sammeln und neu aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Natürlich machen wir noch aktuelle Musik, der WestBam-Act ist noch kein komplett museales Projekt. Noch nicht. (lacht)

Was reizt Sie am Konzept Band? Eher reizt mich das Konzept Konzert. Ein DJ-Set lebt davon, dass man eigene Musik mit der anderer in Beziehung setzt. Bei einem Konzert geht es sehr konzentriert um die eigene Musik. Ich will DJ-Musik aber nicht ersetzen, sondern um eine Facette erweitern: Drums, Gitarren und die beiden Sängerinnen werden in Realtime mit elektronischer Musik gemischt.

(Betont lässig): Was ist mit Sex and Drugs and Rock 'n' Roll? Wahrscheinlich werde ich am Ende der Tour ausgebrannt sein, wie man so schön sagt. Bislang bin ich vor allem erschrocken über den fürchterlichen Aufwand, mit zehn Leuten unterwegs zu sein. Als Kapitalist sehe ich den Vorteil, den es hat, als DJ allein mit seinem Plattenköfferchen zu reisen. Ich spiele diese Konzerte ohne Gage, reine Liebhaberei, aber der Eintritt ist doppelt so hoch wie bei einer Party. Ich sehe schon kommen, dass die Leute schreien: reiner Abzug!

Viele werden sagen: Techno ist tot, WestBam macht jetzt auf Rock 'n' Roll. Mir wurde mein ganzes Leben großes Misstrauen entgegengebracht. Wie allen wahren Pionieren. Als Kolumbus losgefahren ist, haben alle gesagt: Was für ein Spasti, da hinten geht's nur runter. Aber mittlerweile weiß man ja die historische Wahrheit auf seiner Seite.

Werden Sie missverstanden? Nicht missverstanden, aber nicht ausreichend verstanden. Es gab eine Umfrage: 75 Prozent der 13- bis 39-Jährigen kennen WestBam. Aber natürlich nur: Glatze, Love Parade, Techno. Aber da bin ich nicht böse, man kann nicht erwarten, dass alle mit Werk und Denken vertraut sind. Die Welt dreht sich nicht um mich, das ist mir schon bekannt.

Seien Sie ehrlich: Sie haben die Anfeindungen genossen. Ja, natürlich. Es macht ja auch mehr Spaß, angefeindet zu werden, wenn man weiß, man ist auf der Gewinnerseite der Geschichte: Punkrock-Erbe, erste Generation antiautoritäre Erziehung. Als kleines Kind habe ich gegen Vietnam demonstriert. Ich bin das wandelnde Museum der deutschen Jugendbewegungen.

Auftritt Fotograf

Fotograf: Hallo, wollen wir gleich die Fotos machen? WestBam: Gerne. Schauen Sie sich doch mal um, vielleicht finden Sie ja ein interessantes Requisit. Vielleicht nicht gerade die Wandergitarre.

In diesem Sessel? Im Schneidersitz vielleicht? Nicht dass ich wie ein fernöstlicher Guru wirke! Vielleicht mit Kopfhörern? So machen das die jungen Leute heute ja auch. Obwohl ich eigentlich mittlerweile genug Autorität besitze, um nicht mit solch einem Zepter des DJ-Tums kokettieren zu müssen.

Vielleicht könnten Sie in die Bassdrum kriechen? Da ist noch keiner drauf gekommen. Das Ei des Kolumbus. Die Menschen fühlen sich geborgen in einer Bassdrum: schon wieder die Heilsbotschaft. (Kameraklicken, Posieren) Jetzt können wir eine richtige Fotostory machen. Wir lassen das Interview einfach weg.

Vorhang

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